Mit Pannen durchs Nubra Valley
Das zweite mal in folge Verschlafen. Eigentlich wollten wir schon um 6 Uhr losfahren, bis der erste von uns die Augen offen hatte, war es aber schon 8 Uhr.
Eigentlich wollten wir nur schnell zur pakistanischen Grenze fahren und dann sofort durch das Tal zurück in Richtung tibetischer Grenze was als Etappenziel für heute Abend vorgesehen war, jedoch legte uns unser Gastwirt nahe, noch eine Tour durch Turtuk zu machen, was wir dann auch taten.
Turtuk hat mit eine der längsten Geschichten im Nubra-Tal und war in der jüngsten Vergangenheit Schauplatz mehrerer Kriege zwischen Pakistan und Indien. Mit der Aufspaltung Britisch-Indiens in zwei Staaten, dem Hinduistischen Indien und dem Muslimischen Pakistan wurde die Kaschmir-Region ein Formal souveräner Staat. Im ersten Kaschmir Krieg 1949 lief ein Großteil der muslimischen Armee zu den Pakistanis über, so dass unter anderem Turtuk pakistanisch wurde. Mit dem zweiten Kaschmir Krieg 1971 marschierte Indien in den übergelaufenen Regionen des Kaschmirtals ein und eroberte viele davon zurück. Der Konflikt schwelt noch heute, was man auch an der extrem hohen Militärpräsenz im ganzen Bundesstaat spürt.
Oberhalb von Turtuk gibt es auch ein Museum, in dem dargestellt wird, wie die Menschen dort noch vor wenigen Jahrzehnten gelebt hatten. Sehr nett anzuschauen.
Wir wollten aber unbedingt noch an die pakistanische Grenze fahren. Wenige Kilometer vor unserem Ziel wurden wir jedoch vom indischen Militär gestoppt. Bis hierher und keinen Kilometer weiter. Nachdem auf der Karte hinter dem Militärstützpunkt noch ein kleines Dorf eingezeichnet war, musste es ja dort auch noch einen Weg hingeben, und schon war unser Jagdinstinkt befeuert. Nach kurzer suche entdeckten wir eine schmale, heruntergekommene Straße die in die Berge führte und an deren Linie man erahnen konnte, dass diese in die gewünschte Richtung ging.
Die Straße endete jedoch mitten im nirgendwo und wir wollten schon umdrehen, als uns Abdul, ein alter Mann begegnete, der auch auf dem Weg nach Tyakshi war. Nach einer kurzen Unterhaltung führte er uns über schmale Pfade durch die Wildnis bis wir in dem 100 Seelen-Dorf unmittelbar an der pakistanischen Grenze ankamen.
Von Abdul bekamen wir in Tyakshi sogar noch eine Führung durch das komplette Dorf. Die Menschen hier möchten eigentlich weder zu Indien noch zu Pakistan gehören. Eigentlich wären sie lieber wieder ein Souveränes Fürstentum Kaschmir bzw. Ladakh. Wenn sie aber wählen müssten, würden sie sich lieber wieder Pakistan anschließen, so erzählte man uns hier immer wieder.
Dass eine Grenzsicherung, hier wo Himalaya-Hauptkamm und Karakorum aufeinandertreffen, nicht ganz so einfach ist, war uns klar. Dass sowohl auf Pakistanischer als auch auf Indischer Seite Zelte und Wachposten auf den Bergkämmen, welche dort immerhin bis zu 5500m hoch sind eingerichtet wurden, damit hatten wir beim besten willen nicht gerechnet. Dennoch findet hier regelmäßig ein kleiner, geduldeter Grenzverkehr statt.
Zurück an den Motorrädern traten dann bei Juliens Himalayan die ersten Probleme auf, die uns die uns noch länger beschäftigen sollten. Kaum zurück im Tal angekommen, wollte die Maschine kein Gas mehr annehmen bzw. lief unrund und hatte keine Leistung mehr.
Da sich das Problem leider nicht von selbst löste, kehrten wir schon nach wenigen Minuten um, um in Turtuk nach einem Mechaniker zu suchen. Gefunden haben wir einen Schlosser, der sich neben dem Bau von Gartenzäunen auch mal das Motorrad anschauen wollte.
Seine Diagnose war direkt, dass wir Wasser im Tank hätten. Das konnten wir uns aber nicht so wirklich vorstellen, da das Motorrad ja lief. Wir vermuteten eher, dass der Luftfilter verschmutzt sei, was er aber nicht war.
Da der Mechaniker uns leider nicht weiterhelfen konnte, fuhren wir mit fehlender Leistung weiter das Tal runter.
Wirklich weit kamen wir jedoch nicht, als Julien die Nerven Verliesen. Keinen Meter wollte er mehr mit dem „Drecks Ding“ fahren. Also parkte er am Straßenrand und begann, mit dem Bordwerkzeug planlos am Motorrad rum zu schrauben. Hannes und ich setzten uns so lange in das Restaurant auf der anderen Straßenseite und warteten. Wir hatten ja schließlich alle drei recht wenig Ahnung von indischen Motorrädern.
Nach einiger Zeit, er hatte gerade die Zündkerze raus und wieder rein gebaut, schien das Motorrad von einem Gefühl her wieder zu funktionieren, wir wollten also noch eine Cola trinken und dann weiterfahren.
Während wir gerade auf die Rechnung warteten, kam aber eine Gruppe junger Inder an, die sich direkt auf unsere Motorräder stürzten und irgendetwas, was wir nicht sehen konnten an Hannes Motorrad machten. Jedenfalls war nach wenigen Sekunden die ganze Luft aus dem Reifen und selbst mit dem geliehenen Kompressor konnten wir den Reifen nicht mehr aufpumpen.
Nun war die Kacke so richtig am dampfen, oder wie der Inder sagen würde: Shit hits the Fan… Wir standen an einem Restaurant, mitten auf einer indischen Bergstraße zwischen zwei Ortschaften und hatten einen platten Reifen. Uns blieb also nichts anderes übrig, als das Rad raus zu bauen und zu versuchen, damit irgendwie in die nächste Ortschaft zu kommen, die 20km entfernt war. Das mussten wir allerdings per Anhalter machen, da in allen drei Motorrädern nicht mehr genug Sprit war, um hin und zurück zu kommen und die nächste Tankstelle auch zu weit entfernt war.
Mit mehr Glück als Verstand hielt ein Indisches Pärchen mit ihrem Jeep an und bot uns an, mit ihnen ins nächste Dorf zu fahren, sie würden uns sogar wieder zurückfahren. Es gibt sie also doch, die freundlichen und hilfsbereiten Inder.
Mit 4 Stunden Verspätung, die durch die Schraubaktion entstanden sind, konnten wir unsere Reise dann endlich fortsetzen. Leider setzte schon wieder die Dämmerung so früh ein, so dass wir unser Etappenziel am Pangong Tso für heute definitiv streichen mussten.
Von dem indischen Pärchen bekamen wir noch den Tip, in Hundar zu übernachten. Dort würde es ein tolles Camp geben. Da wir nicht noch ewig nach einer Unterkunft suchen wollten als wir endlich in Hundar ankamen, entschieden wir uns der Empfehlung zu folgen.
Neben der Problematik, dass Juliens Motorrad nicht wirklich rund lief, fuhren wir alle drei schon seit 40 Kilometern auf Reserve und die nächste Tankstelle war immer noch 15km entfernt und so passierte es, dass 20 Meter vor der Zufahrt zum Camp das Motorrad von Hannes den letzten Tropen Benzin verbrannte und aus ging. Darum wollten wir uns aber erst morgen kümmern.
Im Camp standen mehrere Beduinenzelte, die an Reisende vermietet wurden und in der Mitte gab es eine große windgeschützte Feuerstelle, an der wir den Abend ausklingen ließen.